EZB erhöht Zinsen und deutet weitere Erhöhungen an
Die Europäische Zentralbank (EZB) hob ihren Einlagensatz bei der Sitzung im Dezember um weitere 50 Basispunkte (Bp) auf zwei Prozent an, womit sie ihren Leitzins an das obere Ende der meisten Schätzungen für eine neutrale Konstellation in der Euroregion beförderte: Diese rangieren zwischen 1,25 Prozent und 2,00 Prozent.
Nach Einschätzung der europäischen Notenbanker werde es nötig sein, die Zinsen deutlich in den restriktiven Bereich anzuheben, damit die Inflation zeitnah wieder zu ihrer mittelfristigen Zielmarke von zwei Prozent zurückkehrt – aktuell liegt der Preisauftrieb im Euroraum bei etwa zehn Prozent. In der Tat legen die neuen makroökonomischen Prognosen des Eurosystems nahe, dass die Teuerung die EZB-Definition der Preisstabilität über den gesamten dreijährigen Prognosezeitraum überschreiten wird. Der vom Markt eingepreiste Spitzenzins von rund 3,25 Prozent erscheint nicht unangemessen, wenn man die anhaltend hohe Unsicherheit bezüglich der Inflationsdynamik bedenkt oder einen Vergleich zu anderen wichtigen Industrieländern, darunter Großbritannien oder die USA, anstellt.
Die Grundsätze für den Abbau der Anleihenbestände tragen der institutionellen Struktur des Euroraums implizit Rechnung, was nahelegt, dass die EZB nur über begrenzten Spielraum verfügt, um eine quantitative Straffung gegen Zinsentscheidungen abzuwägen. Entsprechend wird jeglicher Versuch, die Anleihenbestände zu verringern, bloß eine zweitrangige Rolle spielen. Schließlich möchte die EZB ungern in eine ähnliche Situation wie die Bank of England geraten, als diese beabsichtigte, ihre Anleihenbestände aus geldpolitischen Motiven zu reduzieren, und sich stattdessen zum Erwerb von Anleihen gezwungen sah, um die Finanzstabilität zu wahren.
Die wichtigste Konsequenz des Bilanzabbaus wird sein, dass das Emissionensvolumen am Markt deutlich zunimmt: Nach unserer Einschätzung sollte sich das Nettoangebot an europäischen Staatsanleihen im nächsten Jahr mehr als verdoppeln. Neben den Maßnahmen zur besseren Kontrolle der Geldmarktzinsen und zum Erhalt des geldpolitischen Transmissionsmechanismus sollte dies ebenfalls dazu beitragen, den Sicherheitenmangel weiter zu entschärfen und wieder ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Marktpreisen für europäische Zinsswaps und Kernanleihen herzustellen.
Wann wird die EZB die Zinserhöhungen beenden?
Wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz herausstellte, werden keine Aussagen über die künftige Zinsentwicklung (sog. Forward Guidance) getroffen. Der künftige Zinspfad werde vielmehr, wie bislang, von Sitzung zu Sitzung beschlossen und maßgeblich von der Inflationsdynamik abhängen. Gleichwohl betonte die Notenbankchefin, dass ein Spitzenzins von drei Prozent, wie vom Markt im Vorfeld der Sitzung eingepreist, nicht restriktiv genug sei – womit sie die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen um 50 Basispunkte bei den nächsten geldpolitischen Sitzungen auf den Tisch brachte.
Unsere Überzeugung hinsichtlich des Tempos und des Umfangs von Zinserhöhungen durch die EZB bleibt angesichts der Unwägbarkeiten der Inflationsentwicklung gering. Also widersprechen wir dem derzeit vom Markt eingepreisten Spitzenzins nicht – auch nicht, nachdem sich die EZB bei ihrer Dezember-Sitzung eher von ihrer restriktiven Seite gezeigt hat. Eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte bei der nächsten Sitzung im Februar scheint zwar beschlossene Sache zu sein, darüber hinaus lässt sich aber kaum eine Aussage treffen.
Was ist mit der Bilanz?
Wie die EZB verlauten ließ, sieht der Europäische Rat die Leitzinsen zwar weiterhin als Hauptinstrument der Geldpolitik; ein maßvoller und absehbarer Bilanzabbau sei im Lauf der Zeit aber dennoch angemessen. Darüber hinaus machte die Zentralbank deutlich, dass ihre Instrumente zum Schutz der ordnungsgemäßen Transmission der Geldpolitik – insbesondere die flexiblen Reinvestitionen im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms (PEPP) und das neue Transmissionsschutzinstrument – in Kraft blieben.
Auch wenn sich die EZB nicht direkt von Anleihenverkäufen distanzierte, sind die Grundsätze des Bilanzabbaus eher auf eine sukzessive, geordnete und passive Reduktion der Reinvestitionen im Rahmen ihres regulären Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) ausgerichtet – eine Strategie, die Unterstützung durch die relativ günstige Laufzeitstruktur ihres Anleihenportfolios erhält.
Ab März 2023 sollen die Reinvestitionen im Rahmen des APP-Programms bis zum Ende des zweiten Quartals um durchschnittlich rund 15 Milliarden Euro pro Monat verringert werden; das weitere Vorgehen wird im Lauf der Zeit festgelegt. In unserer Basisprognose gehen wir davon aus, dass dieser passive APP-Abbau mit einem Reinvestitionsvolumen von 50 Prozent nach Ablauf des zweiten Quartals 2023 fortgesetzt wird. Im Übrigen ist die Bilanz der EZB derzeit rund 8,5 Billionen Euro schwer.
Wie lauten die makroökonomischen Prognosen?
Die EZB hat auch neue vierteljährliche makroökonomische Prognosen von Experten des Eurosystems (bestehend aus der EZB sowie den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist) veröffentlicht, einschließlich erster Schätzungen für 2025. Für das Jahr 2023 enthielten die Schätzungen vom Dezember, wie nicht anders zu erwarten, eine deutlich höhere Inflation und ein geringeres Wachstum als noch im September.
Für 2024 und 2025 galt es, die Auswirkungen der Inflation (z. B. auf den Lohnbildungsmechanismus) gegen die bis dahin deutlich strafferen Finanzbedingungen abzuwägen, da die geldpolitisch bedingte Nachfrage geringer ausfallen und die Währungshüter bestrebt sein werden, unangemessene Zweitrundeneffekte abzuwenden.
Wie die EZB einräumte, steht dem Euroraum im laufenden sowie im nächsten Quartal möglicherweise ein Wirtschaftsabschwung bevor; jedwede Rezession sollte aber dennoch von relativ geringem Ausmaß und kurzer Dauer sein. Die Wachstumszahlen für 2024 und 2025 beschreiben im Wesentlichen ein Wirtschaftswachstum, das nahezu dem Trend im Euroraum entspricht.
Für 2024 wurden die Kern- und die Gesamtinflation im Vergleich zur September-Prognose nach oben korrigiert, womit sie den Zielwert massiv überschreiten, während die ersten Inflationsprognosen für 2025 näher an die Zielmarke für die Preisstabilität bei zwei Prozent rücken. Nichtsdestotrotz legen die Prognosen von 2,3 Prozent bzw. 2,4 Prozent für die Gesamt- und die Kerninflation nahe, dass die EZB in ihrem aktuellen Straffungszyklus noch weiter vorstoßen muss.
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Konstantin Veit ist Portfoliomanager in London. Er schreibt regelmäßig Beiträge für den PIMCO-Blog.
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