Gewerbeimmobilien – steht die Wende bevor?
Findet der anhaltende und schmerzhafte Abschwung bei Gewerbeimmobilien (CRE) angesichts der Leitzinssenkungen der großen Zentralbanken endlich ein Ende? Ja, zumindest in einigen Sektoren, sagen erfahrene Investoren der Gewerbeimmobilien-Plattform von PIMCO. In einer aktuellen Diskussionsrunde betonten sie, dass die Erholung wahrscheinlich langsam und ungleichmäßig verlaufen werde und eine strategische Fokussierung auf bestimmte Regionen und Sektoren sowie eine wohlüberlegte Wahl zwischen Fremd- und Eigenkapital-Investments erforderlich sei.
F: Der Markt für Gewerbeimmobilien befand sich die meiste Zeit des Jahres 2024 in einer Sackgasse. Glauben Sie, dass der Markt mit Blick auf das Jahr 2025 endlich die Wende schaffen wird?
John Murray (Geschäftsführer, globale private Gewerbeimmobilien): Ja, es scheint seit der Zinssenkung der Federal Reserve im September eine größere Bereitschaft zu geben, Transaktionen auf den Markt zu bringen. Wir sehen da einige grüne Triebe, insbesondere bei Core-Transaktionen im Mehrfamilienhaus-Sektor. Zudem scheinen sich die Rückkäufe bei Open-End-Core-Fonds zu verlangsamen.
Allerdings erwarte ich im Jahr 2025 keinen starken Aufschwung wie nach der globalen Finanzkrise. Damals wurde die Branche durch eine Vielzahl von Programmen der Federal Reserve unterstützt, einschließlich der quantitativen Lockerung, die zu einem dramatischen Rückgang der Kapitalisierungsfaktoren geführt hat.
Obwohl die Fed endlich damit begonnen hat, die Leitzinsen zu senken, gehen wir nicht davon aus, dass die langfristigen Zinsen auch nur annähernd auf das Niveau von 2021 fallen werden. Daher dürften die Kapitalisierungszinssätze (Cap Rates) im Vergleich zu 2021 hoch bleiben. Und dies deutet zusammen mit der wachsenden Anzahl fälliger Gewerbeimmobilien-Kredite darauf hin, dass sich das Tauwetter fortsetzen wird.
Russell Gannaway (Geschäftsführer, alternative Kredite): Ich stimme zu, dass wir im kommenden Jahr eine erhöhte Aktivität und einen Trend zur Erholung sehen werden. Die öffentlich zugänglichen Märkte deuten bereits darauf hin, dass wir auf dem Weg zur Erholung weiter sind, als es die privaten Märkte vermuten lassen. So nähern sich beispielsweise die Bewertungen von Equity Real Estate Investment Trusts (REITs) und mit Gewerbeimmobilien besicherten Hypotheken (CMBS) dem Niveau von 2021. Auch wenn die öffentlichen Märkte falsch liegen könnten, so glaube ich doch, dass die Privatmärkte im kommenden Jahr allmählich aufholen werden.
François Trausch (Geschäftsführer, PIMCO Prime Real Estate): Anleger sollten im Hinterkopf behalten, dass in Europa im Gegensatz zu den USA die Zinsen von 2009 bis 2022 negativ waren oder nahe null lagen – und sich die meisten Marktteilnehmer daran gewöhnt haben. Obwohl die Zinsen also sinken, werden sie wahrscheinlich nicht annähernd das Niveau erreichen, das wir nach der globalen Finanzkrise gesehen haben. Dies erfordert ein deutliches Umdenken: Unserer Meinung nach sollten sich Anleger nicht auf niedrige Zinsen oder sinkende Cap Rates verlassen, sondern sich stattdessen auf Wachstumsnischen konzentrieren, in denen die Mieten und die Nettobetriebseinnahmen (NOI) steigen werden. Dieser Übergang wird Zeit brauchen.
Obwohl wir in Europa kein substanzielles Wachstum erwarten, können wir in Asien ex China mit einem Wachstum rechnen, das den Märkten zu einer schnelleren Erholung verhelfen könnte.
F: Haben die Bewertungen die Talsohle durchschritten?
Gannaway: Die Bewertungen sind dabei, die Talsohle zu erreichen, wenn sie es nicht bereits getan haben. Ich würde sagen, dass dies in bestimmten Bereichen der Fall ist.
Seray Incoglu (Executive Vice President, globale private Gewerbeimmobilien): Gebäude der Klasse A haben wahrscheinlich die Talsohle durchschritten, wobei einige unter den Wiederbeschaffungskosten verkauft werden. Immobilien der Klassen B und CFootnote1, insbesondere in Sektoren wie Büros und Biowissenschaften, haben jedoch noch Potenzial für einen Rückgang. Die Ausfallquoten und die Zahlungsverzugquote bei Fälligkeit sind geringfügig gestiegen, was jedoch das Ausmaß des Stresses am Markt möglicherweise nicht vollständig widerspiegelt. So sind beispielsweise die Ausfallquoten für Collateralized Loan Obligations (CLOs = besicherte Darlehen) bei Gewerbeimmobilien von weniger als einem Prozent vor der Pandemie auf sieben Prozent gestiegen. Gewerbeimmobilien-Emittenten nehmen ausgefallene Kredite zum Nennwert zurück, was wahrscheinlich einige zugrunde liegende Probleme überdeckt, mit denen der Markt immer noch zu kämpfen hat.
Murray: Um es zu quantifizieren: Wir gehen davon aus, dass die Abwicklungswerte ihren Tiefpunkt erreicht haben und um 20 bis 40 Prozent unter ihren Höchststand gefallen sind. Die jüngsten auf den Core-Bereich fokussierten Transaktionen wurden mit einem Abschlag von 20 bis 25 Prozent gegenüber dem Niveau von 2021 gehandelt. Interessanterweise deutet der NCREIF Open End Diversified Core Equity Index darauf hin, dass der Wert US-amerikanischer Gewerbeimmobilien nur um 16 Prozent gefallen ist, wir haben also wahrscheinlich noch etwas vor uns, zumindest was formale Indizes wie diesen betrifft.
Trausch: Wenn man bedenkt, dass Investoren an Vermögenswerten festhalten und Zwangsverkäufe in Grenzen gehalten werden, befinden wir uns am unteren Ende des Bewertungsniveaus – zumindest dann, wenn es nach dem Urteil der Profis geht. Sollten wir jedoch einen Anstieg der Zwangsverkäufe feststellen – und es gibt gute Gründe dafür, dass es dazu kommen könnte –, könnten die Bewertungen weiter unter Druck geraten. Denken Sie daran, dass die Praktiken des ‚Hinauszögerns und Vortäuschens‘, die auf die globale Finanzkrise folgten, zu dieser Zeit durchaus gerechtfertigt sein konnten, weil die Zinsen damals recht schnell sanken. Sollten die Zinsen zum jetzigen Zeitpunkt jedoch langsamer sinken, wird es für die Kreditgeber, insbesondere für die Banken, immer schwieriger, diese Strategie zu rechtfertigen, da sie angesichts von Zahlungsausfällen und deren Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen allmählich ungeduldig werden.
F: Welche Faktoren werden Ihrer Meinung nach vom Markt derzeit unter- oder überschätzt?
Trausch: Die Zinsen in Europa sind rückläufig, aber aus den falschen Gründen – nämlich wegen der schlechten Aussichten für das Wirtschaftswachstum vor allem in Deutschland und Frankreich, während das Wachstum in Spanien und Italien weiterhin robuster ist. Darüber hinaus könnte die neu entdeckte Begeisterung des Markts für Büroimmobilien übertrieben sein. Institutionelle Investoren werden zwar an ihren besten Immobilien festhalten. Dennoch ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Büroflächen in guter Lage und solche mit alternativer Nutzung nur ein kleines Segment des Gesamtmarkts darstellen. Die Mieter werden anspruchsvoller und bevorzugen hochwertigere und nachhaltigere Immobilien. Dieser Trend bietet sowohl Eigentümern als auch Kreditgebern die Möglichkeit, Immobilien auf einen Status aufzuwerten, den wir Core-Plus nennen. Das weist aber auch auf ein Risiko für schwächere Immobilien, die über die Zeit wahrscheinlich weiterhin mit einer rückläufigen Auslastung konfrontiert sein werden.
Gannaway: Dem stimme ich zu. Es bringt nichts, zu früh auf dieser Party aufzutauchen. Denken Sie daran, dass die Einkaufszentren der Klassen B und C zehn Jahre gebraucht haben, um auf eine alternative Nutzung umzustellen. Darüber hinaus glaube ich nicht, dass der Markt bereits vollständig verstanden hat, wie langsam und vorsichtig die Fed die Leitzinsen senken wird.
Murray: Außerdem glaube ich, dass der Markt die Bedeutung der jüngsten Zinssenkungen für die Bewertungen überschätzt. Niedrigere kurzfristige Zinsen sind wie ein Verband: Sie stillen die Blutung, heilen aber nicht unbedingt die Wunden, sprich: die höheren Kapitalisierungszinssätze.
Incoglu: Der Markt könnte auch übersehen, wie der regulatorische Druck auf das Kapital zu einem langfristigen Rückgang der Kreditvergabe durch die Banken führt. Trotz der jüngsten Anzeichen für eine Verbesserung der Kreditvergabebedingungen durch die Banken lag und liegt der Fokus der Institute auf den Kernaktiva – und damit auf der Aufrechterhaltung eines niedrigeren Verschuldungsgrads, der Generierung von Erträgen aus Produkten wie Spareinlagen und Investmentbanking-Provisionen sowie auf der Generierung von Investmentchancen für Kreditgeber im Bereich alternative Anlagen.
F: In unserem Immobilienausblick vom Juli 2024 haben wir geschrieben, dass wir bei Immobilien Fremdkapital-Investments gegenüber Eigenkapital-Investments bevorzugen. Ist diese Trendaussage noch immer aktuell?
Murray: Ja, es ist immer noch ein attraktiver Zeitpunkt, über das gesamte Risikospektrum hinweg ein Kreditgeber zu sein. Die Zinssätze sind nach wie vor hoch, und die Immobilienbewertungen und Business-Pläne wurden angesichts des schwachen konjunkturellen Umfelds Makulatur. Insbesondere am oberen Ende des Risikospektrums sehen wir viel mehr Chancen für Überbrückungs- und Gap-Finanzierungen.
Trausch: Früher haben wir gesagt: „Gehen Sie weit ins Risiko bei Fremdkapital und bleiben Sie vorsichtig bei Eigenkapital.“ Diese Maxime ist zwar insgesamt immer noch gültig. Aber wir sind der Meinung, dass der Markt heute für langfristig orientierte Eigenkapitalinvestoren einen attraktiveren Einstiegspunkt bietet als noch vor sechs Monaten, da die Liquidationsbewertungen die Talsohle erreicht haben und der Angebotsdruck nachlässt. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger diszipliniert und äußerst selektiv vorgehen.
F: Von welchen Investments sind Sie aktuell am meisten überzeugt und wo finden Sie diese?
Gannaway: Ich fühle mich nach wie vor zum Segment für Wohnimmobilien hingezogen, das von einer robusten langfristigen Angebots-/Nachfrage-Dynamik geprägt ist. In den USA rechnen wir in den kommenden fünf Jahren mit einer Wohnungsknappheit, die deutliche Auswirkungen auf die anhaltende oder sogar wachsende Nachfrage nach „Build-to-Rent“-Strategien sowie auf Bestandsobjekte bei Ein- und Mehrfamilienhäusern haben wird. Auch wenn es kurzfristig noch einige Herausforderungen auf der Angebotsseite gibt, glauben wir, dass dies auf lange Sicht der richtige Ort für Investments ist. In geografischer Hinsicht ist der Sun Belt in den USA ein gutes Beispiel dafür.
Trausch: Wir sollten auf den Sektor für Wohnimmobilien achten, ja. Aber wie Russ gesagt hat, ist es wichtig, kritisch zu sein und die richtigen Chancen zu identifizieren. Chancen sehen wir auch bei Mehrfamilienhäusern in Japan, wo es in Großstädten wie Tokio und Osaka nach wie vor einen Trend zu Haushaltsgründungen gibt, Mietausfälle selten, und die Finanzierungsbedingungen attraktiv sind.
Generell hat der Bereich für studentisches Wohnen ein starkes Wachstum bei den Mieten gesehen – nicht nur in den traditionellen Märkten der USA, Großbritanniens und Australiens, sondern auch in Kontinentaleuropa und Teilen Asiens.
Murray: Daten- und Rechenzentren stehen nach wie vor ganz oben auf meiner Liste, vor allem in Europa. Die Nachfrage steigt weltweit weiter an. Aber wir glauben an eine Konvergenzstory in Europa, das bei den Kapazitäten für Rechenzentren im Verhältnis zur Bevölkerung fünf bis sieben Jahre hinter den USA zurückliegt. Die Lücke ist zum Teil Regulierungsvorschriften zur digitalen Souveränität geschuldet, die von den Nationalstaaten verlangen, kritische Daten, Software und Hardware innerhalb ihrer Grenzen zu halten.
Incoglu: Ich wäre nachlässig, wenn ich nicht auch auf Sektoren hinweisen würde, in denen wir größere Vorsicht walten lassen. Während und unmittelbar nach Covid-19 war der Sektor für Umwelt- und Biowissenschaften sowohl für Investments als auch für die Entwicklung sehr gefragt. Die Netto-Absorptionsquote (das Netto-Verhältnis von neu vermieteten zu gekündigten Flächen) hat sich jedoch in den vergangenen Quartalen aufgrund neuer Angebote und der geringeren Nachfrage auf Mieterseite in mehreren Märkten negativ entwickelt. Nichtsdestotrotz sind ausgewählte Akteure in spezifischen Märkten gut positioniert, um die aktuellen Marktherausforderungen zu meistern.
F: Möchten Sie noch etwas anmerken?
Incoglu: Dieser Zyklus wird sich nicht wie jeder vorherige entwickeln. Allein dies wird Volatilität und taktische Chancen für Trades schaffen, insbesondere an den öffentlichen Märkten. Daher sollten Anleger überlegen, wie sie in allen vier Quadranten – öffentliches und privates Eigenkapital sowie öffentliches und privates Fremdkapital – Investments verteilen könnten.
Gannaway: Es gibt nach wie vor eine deutliche Kluft zwischen öffentlichen und privaten Märkten, die sich in die eine oder andere Richtung schließen muss. Unter dem Strich wird es darauf ankommen, den „Relative Value“ exakt zu ermitteln – sei es auf den öffentlichen oder den privaten Märkten oder auch bei der Entscheidung, wo über den gesamten Kapitalbereich hinweg investiert werden soll. Diese Fähigkeit wird es vermutlich sein, die im Jahr 2025 die Gewinner von den Verlierern unterscheidet.