EZB: Wachstumssorgen
Die Wachstumsaussichten haben sich ausreichend eingetrübt, um die Europäische Zentralbank (EZB) zu einem Abweichen von ihrem vierteljährlichen Zinssenkungskurs und ihrem ersten Zinsschritt außerhalb einer Prognosesitzung zu bewegen. Da die EZB bei ihrer vorangegangenen geldpolitischen Sitzung die nächste Senkung für Dezember in Aussicht gestellt hatte und seit dem Zinsschritt vom September kaum Daten veröffentlicht wurden, scheinen Risikomanagement-Überlegungen hierbei eine wichtige Rolle gespielt zu haben.
Aus der Perspektive des Risikomanagements sind die Frankfurter Währungshüter wohl der Ansicht, dass sich Aufwärtsschocks für die Inflation mit einem künftig langsameren Tempo bei der Zinsstraffung bewältigen lassen, während die Zinsentscheidung zusätzlichen Schutz vor Abwärtsrisiken bietet. Obschon der Zinsschritt vom Oktober auf den Wunsch einer rascheren Normalisierung der Geldpolitik hindeuten könnte, betonten die Notenbanker, dass Entscheidungen auch weiterhin von Sitzung zu Sitzung getroffen würden und das Zahlenwerk der kommenden Monate ausschlaggebend für das Tempo weiterer Lockerungen sei.
Angesichts der noch immer überhöhten Inflation im Inland, die vor allem den Preisdruck im Dienstleistungssektor widerspiegelt, sollte die Geldpolitik vorerst restriktiv bleiben. Im kommenden Jahr dürfte dann eine Debatte über das angemessene Niveau des neutralen Leitzinses in den Fokus rücken. Während wir keine feste Überzeugung bezüglich der genauen Entwicklung haben, ist mit einer weiteren Lockerung im Dezember zu rechnen. Ferner steht der eingepreiste Endzins von rund 1,85 Prozent für die zweite Jahreshälfte 2025 weiterhin im Einklang mit unseren (und den meisten externen) Schätzungen für den neutralen Leitzins im Euroraum.
Im Ergebnis stimmen wir den Marktbewertungen weitgehend zu und sehen für die europäische Duration unter Ausbleiben eines rezessionären Umfelds nur begrenztes Aufwärtspotenzial, sodass unsere Haltung weitgehend neutral bleibt. Was die europäische Zinskurve betrifft, so erwarten wir weiterhin, dass das lange Ende der Kurve aufgrund der schrittweisen Zinssenkungen und des Wiederaufbaus von Laufzeitprämien schlechter abschneiden wird als kürzere Laufzeiten.
Warten auf die Erholung
Mit Blick auf das Wachstum, den Arbeitsmarkt und die Preisentwicklung präsentierte sich das Zahlenwerk eher verhalten. Denn obwohl die Wirtschaft im Euroraum im zweiten Quartal um 0,2 Prozent wuchs, war dies primär den Exporten und den Staatsausgaben zu verdanken, während die private Binnennachfrage dürftig blieb. Eine lang ersehnte, von den privaten Haushalten angetriebene Erholung blieb bislang aus, und die Umfrageindikatoren deuten auf anhaltenden Gegenwind hin.
Der Einkaufsmanagerindex (PMI) der Eurozone rutschte im September von 51,0 auf 48,9 Punkte, was zum Teil auf die Normalisierung in Frankreich nach einem durch die Olympischen Spiele angestoßenen Aufschwung im August zurückzuführen war. Doch selbst bereinigt um dieses Ereignis lässt der Indexstand zu wünschen übrig, was zum Teil durch die anhaltende Schwäche der deutschen Produktion bedingt ist und auf eine konjunkturelle Stagnation in Euroland hindeutet. Während der Arbeitsmarkt robust bleibt und die Arbeitslosenquote noch immer bei einem Rekordtief von 6,4 Prozent liegt, schwächte sich das Beschäftigungswachstum im zweiten Quartal auf 0,2 Prozent ab, und die jüngsten Indikatoren deuten auf eine weitere Verlangsamung hin.
Die Inflation ging von 2,2 Prozent im August auf 1,7 Prozent im September zurück, womit sie zum ersten Mal seit drei Jahren unter das EZB-Ziel von zwei Prozent fiel. Wie im Vormonat war diese Entwicklung vornehmlich auf einen weiteren Rückgang der Energiepreise zurückzuführen. Die Kerninflation fiel mit einem Rückgang von 2,8 Prozent im August auf 2,7 Prozent nur geringfügig schwächer aus und dürfte aufgrund der anhaltend hohen Preissteigerungen im Dienstleistungssektor, die sich im September auf 3,9 Prozent beliefen, in den bevorstehenden Quartalen deutlich über dem Ziel der Notenbanker verweilen.
Zugleich ging es bei den Lohnkosten weniger stark bergauf, und die Gewinne haben die Auswirkungen auf die Inflation abgefedert. Wie die europäischen Notenbanker heute betonten, werden die Inflationsaussichten von den zuletzt überraschend schwachen Indikatoren für die konjunkturelle Entwicklung beeinflusst. Während die Gesamtinflation im vierten Quartal aufgrund von Basiseffekten vorübergehend zunehmen dürfte, scheint die EZB zusehends zuversichtlich, dass sich die Inflation in der zweiten Jahreshälfte des kommenden Jahres nachhaltig auf den Zielwert zubewegt.
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