EZB: Auf dem Weg zur Neutralität
In Anbetracht der enttäuschenden Wachstumszahlen im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Einlagensatz um einen Viertelprozentpunkt auf 2,75 Prozent gesenkt. Und obwohl die Inflation in diesem Jahr ihre Zielmarke erreichen soll, bedeutet ein Zinsniveau von 2,75 Prozent aus Sicht des Risikomanagements, dass sich Aufwärtsschocks bei der Inflation möglichweise noch durch ein langsameres Tempo bei künftigen Zinsstraffungen bewältigen lassen sollten. Zugleich bietet der Zinsschritt zusätzlichen Schutz vor Abwärtsrisiken. Kurzum, die EZB verfügt auch weiterhin über reichlich Handlungsspielraum.
Seit Dezember streben die Frankfurter Währungshüter nicht mehr danach, ihre Geldpolitik ausreichend restriktiv zu halten, sondern beabsichtigen vielmehr, einen „angemessenen“ geldpolitischen Kurs zu beschreiten. Entsprechend nimmt die Diskussion rund um das geeignete Niveau des neutralen Leitzinses Fahrt auf. Während in EZB-Modellen für den Währungsraum bislang ein mittlerer neutraler Zinssatz von zwei bis drei Prozent anberaumt wurde, hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde heute zwar keine Zahlen genannt, vergangene Woche in Davos aber eine neutrale Spanne von 1,75 bis 2,25 Prozent erwähnt.
Wegen der Ungewissheit rund um das neutrale Leitzinsniveau und der noch immer zu hohen inländischen Inflation dürfte es bei den Leitzinsen nach wie vor schrittweise nach unten gehen. Wie die Marktpreise nahelegen, sollte der Endzins bei rund zwei Prozent liegen, was im Großen und Ganzen unseren Schätzungen für den neutralen Leitzins entspricht. Nichtsdestotrotz sehen wir zusätzliche Abwärtsrisiken für das Wachstum, insbesondere angseichts der Zolldrohungen der neuen US-Regierung und der Möglichkeit eines niedrigeren endgültigen Zinsniveaus als derzeit eingepreist.
Für die Vermögensanlage bedeutet dies, dass die Duration dank der weitgehenden Normalisierung der Inflation ihren Charakter als Risikoabsicherung zurückerlangt hat. Qualitativ hochwertige Anleihen sehen attraktiv aus, europäische Durationspositionen bieten preisgünstigen Schutz vor Abwärtsrisiken, und wir halten an unserer Übergewichtung fest. Mit Blick auf die europäische Zinskurve erwarten wir weiterhin, dass das lange Ende der Kurve schlechter abschneidet als kürzere bis mittlere Laufzeiten, was der Zinsstraffung und den wiederkehrenden Laufzeitprämien zuzuschreiben ist. Angesichts der schrumpfenden Bilanzsumme der EZB dürften die Anleger eine zusätzliche Entschädigung für Anlagen in längere Laufzeiten fordern.
Anhaltend schwache Wachstumsaussichten, Inflation auf Kurs
Im vierten Quartal trat das Wachstum im Euroraum auf der Stelle, was sich laut Umfragen auch in nächster Zeit nicht ändern sollte. Trotz einer leichten Aufwärtsbewegung im Januar verharrt der vorläufige Gesamt-Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Euroraum nahe der Schwelle von 50, womit er auf eine anhaltende Konjunkturflaute hindeutet. Ganz allgemein werfen die neu veröffentlichten Daten zusehends die Frage auf, was dem prognostizierten Konjunkturaufschwung auf die Sprünge helfen könnte.
Bislang weist keine der Nachfragekomponenten die Stärke auf, die in mehreren aufeinanderfolgenden EZB-Prognosen vorausgesagt wurde. Ein besonders großes Fragezeichen umgibt dabei die Konsumtätigkeit als Wachstumsmotor, da das Zahlenwerk vielmehr auf einen erheblichen Anstieg der Sparquote und eine Eintrübung der Kauflaune hindeutet. Darüber hinaus könnten sich die Unternehmen bei der Kapitalanlage weiter zurückhalten und somit das Investitionsvolumen in der ersten Jahreshälfte 2025 weiter schmälern.
Was die Preisentwicklung angeht, ist nach aktuellen Informationen ein disinflationärer Prozess im Gange: Die Gesamt- und die Kerninflation lagen im Schlussquartal bei 2,2 Prozent bzw. 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum – und damit je 0,1 Prozentpunkte unter den EZB-Prognosen vom Dezember. Mit Blick auf die monatliche Entwicklung zog die Gesamtinflation im Dezember um 0,2 Prozentpunkte auf 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum an, was dem Basiseffekt der Energiepreise zuzuschreiben war.
Die inländische Inflation, in der sich primär die Inflation im Dienstleistungssektor widerspiegelt, bleibt mit rund vier Prozent hoch, vor allem weil sich die Löhne und Preise in bestimmten Sektoren noch mit Verzögerung an die Inflation der Vergangenheit anpassen. Das Lohnwachstum hat sich zuletzt aber abgeschwächt und dürfte in diesem Jahr deutlich an Tempo verlieren – in Richtung von Wachstumsraten, die im Großen und Ganzen mit dem Preisstabilitätsziel der EZB vereinbar sind.
Beruhigend ist, dass sich der Preisauftrieb gemäß den meisten Kennzahlen für die Basisinflation weiterhin in der Nähe des mittelfristigen Ziels von zwei Prozent einpendeln sollte. So bewegt sich etwa das EZB-Maß für die persistente und gemeinsame Komponente der Inflation (Persistent and Common Component of Inflation – PCCI), dem die meiste Vorhersagekraft für die Gesamtinflation über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren zugesagt wird, seit über einem Jahr um die Marke von zwei Prozent.
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