

Da sich die Bewertungen von US-Aktien in der Nähe ihrer historischen Höchststände bewegen, ist es an der Zeit für Anleger, die Nachhaltigkeit von Aktiengewinnen zu beurteilen und die grundlegenden Vorteile der Portfoliodiversifikation zu überdenken.
Die Aktienkurse seien „derzeit in vielen Kennzahlen erhöht“, teilte der US-Notenbankvorsitzende Jerome Powell auf einer Pressekonferenz am 29. Januar mit. Zwei Tage zuvor war in der Titelstory des Wall Street Journal „Premium for Owning Stocks Vs. Bonds Disappears“ („Die Prämie von Aktien gegenüber Anleihen verschwindet“) darauf hingewiesen worden, dass die Aktienrisikoprämie – definiert als die Differenz zwischen der Gewinnrendite des S&P 500 und der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen – zum ersten Mal seit 2002 in den negativen Bereich gerutscht sei.
Derweil ist eine weitere gängige Kennzahl für Aktien – das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE) – auf ein Niveau gestiegen, das in den letzten drei Jahrzehnten nur zweimal erreicht wurde: während der Dotcom-Blase und der postpandemischen Erholung (siehe Abbildung 1). Diese früheren CAPE-Spitzenwerte stellten sich ein, als sowohl die US-Notenbank als auch der Konsens am Markt ein US-Wachstum von 3,5 Prozent bis 4,7 Prozent pro Jahr vorhersagten; derzeit rangiert die Wachstumsprognose für das Jahr 2025 aber nur bei etwa zwei Prozent.
Das erscheint besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass die überteuerten Bewertungen mit einer großen Unsicherheit zusammentreffen (siehe Abbildung 2), schließlich dürfte die US-Zollpolitik das globale Wirtschaftsumfeld umgestalten (mehr dazu in unserem jüngsten Konjunkturausblick „Sicher ist nur die Unsicherheit“).
Die Argumente für eine Fortsetzung der Gewinnsträhne an den US-Aktienmärkten scheinen sich auf zwei wesentliche Annahmen zu stützen: dass es „dieses Mal anders läuft“ und dass die wirtschaftliche Ausnahmestellung der USA – die den Rest der Welt übertreffen – von Bestand sein wird. Diese Annahmen wurden Ende Januar auf die Probe gestellt, als Bedenken um die Nachhaltigkeit von Investitionen in künstliche Intelligenz aufgrund der zunehmenden Konkurrenz aus China für einen Abverkauf sorgten. Derartige Schwankungen könnten in Zukunft häufiger auftreten, und eine negative Aktienrisikoprämie bietet hier womöglich keinen angemessenen Ausgleich.
Diversifikation ist unerlässlich
Die Anleger sollten sich auf eine bewährte Strategie zurückbesinnen: die Diversifikation. Denn dass die Aktienrisikoprämie ein negatives Vorzeichen angenommen hat, liegt teilweise daran, dass die Anleihenrenditen auf das attraktivste Niveau seit Jahren geklettert sind (siehe Abbildung 3).
Die jüngste Wiederkehr der traditionell negativen Korrelation zwischen Aktien und Anleihen bestärkt Letztere außerdem in ihrer Funktion, ein Gegengewicht zum Aktienengagement herzustellen (mehr hierzu erfahren Sie in unserer Veröffentlichung vom November 2024 mit dem Titel „Negative Korrelationen, positive Allokationen“).
Auf lange Sicht sind US-Aktien aus keinem Anlageportfolio wegzudenken. Aktienanlagen haben dazu beigetragen, das Wachstum der US-Wirtschaft anzuheizen und gleichzeitig Wohlstand für Millionen von Anlegern zu schaffen und ihren Ruhestand abzusichern. Die kurzfristigen Risiken für den Aktienausblick werden durch Phasen mit teuren Bewertungen jedoch tendenziell erhöht.
Wie Fed-Chef Powell am 29. Januar ebenfalls feststellte, liegt es in der Natur des Menschen, Extremrisiken zu unterschätzen. Nachdem sich an den Aktienmärkten während der vergangenen Jahre überdimensionierte Kursgewinne erzielen ließen und die Zusammensetzung der Portfolios inzwischen wohl noch stärker in Richtung Aktien tendiert, sollten Anleger die mit den aktuellen Bewertungen verbundenen Risiken evaluieren und sich an den Stellenwert von Anleihen in einem ausgewogenen Portfolio erinnern. Da die Bewertungen aus historischer Sicht geneigt sind, zu ihrem Mittelwert zurückzukehren, könnte es ein Fehler sein, davon auszugehen, dass die Ausnahmesituation von heute auf unbestimmte Zeit anhalten wird.